Rückblick auf die Kirchheimbolander Friedenstage 2023
Derzeit werden weltweit 27 Konflikte gewaltsam ausgetragen, eine Friedenswende ist dringender denn je!
Rund 2 Milliarden Menschen – ein Viertel der Menschheit – leben in Regionen, die von gewalttätig ausgetragenen Konflikten geprägt sind, am stärksten betroffen ist Afrika, das Gebiet südlich der Sahara. Krieg ist die zentrale Fluchtursache. Über 100 Millionen Menschen sind hiervon betroffen. Die Menschheit gibt jedes Jahr mehr als 2 Billionen Dollar für militärische Zwecke aus. Die dadurch verursachten materiellen Schäden sind weit höher als die Militärausgaben selbst. Und doch ist das alles nichts im Vergleich zu dem unermesslichen Leid der Millionen Verwundeten, nichts im Vergleich zur Trauer der Angehörigen hunderttausender Toter, nichts im Vergleich zu hunderttausenden nicht gelebten Leben.
Wir dürfen uns nicht an Kriege gewöhnen. Wir müssen alles daran setzen die Herstellung von Waffen und den Handel mit Waffen zu unterbinden.
„Niemand kann sich der Verantwortung für sein eigenes Fehlverhalten entziehen, indem er sich darauf beruft, Opfer des Fehlverhaltens anderer zu sein.“
Das hat Juri Sheliazhenko, Vorstandsmitglied des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen und Gastredner bei der Eröffnung der Kirchheimbolander Friedenstage 2022 nicht nur seinen Landsleuten, sondern uns allen ins Stammbuch geschrieben.
In Europa macht sich ein Denken nur noch in Kategorien militärischer Konfliktlösung breit. Das darf sich nicht weiter verfestigen! Wir brauchen eine Friedenswende und deshalb wird es auch weiterhin Friedenstage in Kirchheimbolanden geben (müssen).
Hier ein kurzer, unvollständiger Rückblick auf die Friedenstage 2023:
Offiziell eröffnet wurden die Friedenstage von Pit Kaiser und Thomas Behnke mit Liedern und Texten über Frieden und Menschlichkeit am 31. Oktober im Museum am Stadtpalais. Die Kinder waren allerdings schon vorgeprescht, bereits am 30. Sept. gab es einen ökumenischen Kindernachmittag. Der Friedensgottesdienst der Kita Ritten, Friedensfeste und Backaktionen zu Gunsten des Friedenstagepreises – das ist alles gute Tradition, genauso wie die vielfältigen Friedensgottesdienste und -gebete der Kirchengemeinden.
Etwas Besonderes war das Kindermusical der Stadtmission. Simone Feß hat das Musical mit eigenen Liedern und Texten um die Geschichte über Tom und den für ihn passenden Lebensweg herum gestaltet – mehr als 30 Kinder und viele erwachsene Unterstützer*innen haben mitgemacht. Das allein war schon wertvolle Friedensarbeit auf der zwischenmenschlichen Ebene. Die Gemeinde hatte die Aktion bewusst in den Kontext der Friedenstage gestellt und am Ende kamen allein bei dieser Veranstaltung 2.500 € für den Friedenstagepreis zusammen.
Unter der Leitung von Ludger Grünewald haben sich – nach der Corona-Pause – wieder 80 Schüler*innen auf den Weg nach Verdun gemacht. Dort haben die Jugendlichen gesehen, was Krieg wirklich bedeutet, was sich im Osten der Ukraine gerade wieder abspielt, und dass wir in 100 Jahren nichts dazu gelernt haben. Dankenswerter Weise hat die Kreisverwaltung die nicht unerheblichen Kosten für die Busfahrt übernommen.
Antisemitismus darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben. Die Holocaust-Gedenkfeier war von Anfang an Kristallisationspunkt der Kirchheimbolander Friedenstage. Dieses Jahr waren weit über 200 Besucher am Platz auf dem früher die Synagoge stand. Allein 100 Schüler der Georg-von-Neumayer-Schule waren gekommen.
„Stellt euch nicht auf irgendeine Seite, nicht auf die Seite der Juden, nicht auf die Seite der Palästinenser, sondern stellt euch auf die Seite der Menschen.“
Diesem Appell der jüdisch-arabischen Organisation Standing Together schließen wir uns unbedingt an.
Kriege reißen viele Wunden, die oft lange nicht heilen können. Am Denkmal für die Opfer der beiden Weltkriege oben am Schillerhain haben wir eine Friedenslinde gepflanzt. Sie schließt die Wunde, die seit einigen Jahren im dortigen Lindenkreis klaffte – symbolisch fordert sie uns auf, uns für eine weltweite Friedenswende einzusetzen.
Irene Fleckenstein hatte die Initiative ergriffen, gepflanzt hat der Bauhof, auf den ist immer Verlass.
Die Friedenstaube des Landrats ging dieses Jahr an die Organisation Libereco (https://www.libereco.org). Libereco unterstützt politisch Verfolgte in Belarus und der Ukraine und hat seit Beginn des Krieges in der Ukraine dort beeindruckende humanitäre Hilfe geleistet.
Die Friedenstage-Preisträger 2023 adressieren auf unterschiedliche Weise die zentralen Lebenslügen unserer Wohlstandsgesellschaft: die hemmungslose Ausbeutung der Natur und den Wohlstandsaufbau auf Kosten der Menschen in anderen Erdregionen.
Klimawandel und Verlust der Arten Vielfalt sind Phänomene die seit den 1970er Jahren bekannt sind. Aus den 1970er Jahren stammen auch die ersten Initiativen der katholischen Jugend für einen gerechteren Welthandel, der auch dem Globalen Süden eine Chance gibt.
Wer diese Fakten nicht nur ignoriert, sondern erst abstreitet und dann wider besseres Wissen untätig bleibt, der provoziert Gewalt, Terror, Kriege und all die menschliche Not, die daraus resultiert.
Radwa Khaled-Ibrahim, Referentin bei medico international und Lehrbeauftragte an der Uni Marburg, hatte bereits in ihrem Vortrag zum Auftakt der Friedenstage am 2. November deutlich gemacht, dass eine sog. „werteorientierte Außenpolitik“, die an ungerechte, asymmetrische Wirtschaftsbeziehungen gekoppelt ist, zum Scheitern verurteilt ist.
Die Preisverleihung fand dieses Jahr am 9. Dezember in der Stadthalle an der Orangerie statt.
Mit dem regionalen Friedentagepreis wurde die Ebertsheimer Bildungsinitiative e.V. (https://ebi-ev.de) für ihre einzigartige Verknüpfung von Umwelt- und Friedenspädagogik ausgezeichnet. Die EBI e.V. unterstützt Menschen darin ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit zu leben. Sie gibt Anstoß und Inspiration zur selbstverantwortlichen Mitgestaltung unserer Gesellschaft und vermittelt Impulse für ein friedliches Leben in und mit der Natur.
Die Schüler*innen der Georg-von-Neumayer-Schule freuen sich auf Projekttage bei der EBI im Frühjahr 2024, die wir aus Spenden für den Friedenstagepreis finanzieren können.
Die Laudatio des Malers Burkhart Braunbehrens, der die EBI seit ihren Anfängen kennt und begleitet, kann man hier nachlesen:
Mit dem überregionalen Preis wurde medico international (https://www.medico.de) geehrt, weil dieser Verein und seine Partner nicht nur Hilfe in akuten Notsituationen leisten, sondern auch darauf hinwirken gesellschaftliche Verhältnisse zu schaffen, die solche Notsituationen gar nicht erst aufkommen lassen, „helfen so, dass Hilfe überflüssig wird“.
Die emphatische und bildreiche Laudatio des Misereor-Hauptgeschäftsführers Monsignore Pirmin Spiegel findet sich hier:
Auch das von Helin Arslan (Türkei), Lisong Chen (VR China) und Kimin Han (Südkorea) gestaltete musikalische Begleitprogramm zur Preisverleihung, ein Mix aus kurdischer und zentralasiatischer Volksmusik unterlegt mit aktuellen Video-Sequenzen und Elektronik-Klängen, war ein außergewöhnlicher Genuss.
Die Preisverleihung war der Schlusspunkt in einer Reihe von mehr als 20 Veranstaltungen, die die Friedenswende aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet haben. Allen, die sich hier eingebracht haben, möchten wir hiermit ganz herzlich danken. Unser Dank geht auch an alle kleinen und großen privaten Spender, die uns im Laufe des Jahres neben Stadt, Verbandsgemeinde, Kreis, Sparkasse und Volksbank finanziell unterstützt haben. Mit ihrer Hilfe konnten wir nicht nur die Kosten für den Druck der Programmhefte, die Saalmiete für die Preisverleihung, Reisekosten von Referenten, die Busfahrt nach Verdun, die Pflanzung der Friedenslinde und die noch ausstehenden Projekttage der Georg-von-Neumayer-Schule bei der EBI decken, sondern auch ein Preisgeld von insgesamt 8.500 € auszahlen und so wichtige Friedensinitiativen unterstützen.